Ein kritischer Blick auf die neuesten Veränderungen in Sachen Familienplanung, Arbeit und Privatleben. Ob diese das Leben jedoch wirklich erleichtern können ist fraglich.
Dilemma und Desaster
Social Freezing?!
Viel Spaß in der tiefgekühlten „New Generation“! Ein neues Schauderwort geistert durch Glossen und News, vorbei an Stammtischen und durch Diskussionsportale: Social Freezing. Damit ist das Einfrieren von Eizellen, was einige amerikanische Konzerne ihren Mitarbeiter_innen bezahlen, gemeint.
Klingt doch super: Spar dir deine jungen und quietschfidelen Eizellen doch für später auf – solltest du dann immer noch Kinder haben wollen. Lass dich davor als ganz junge Frau gefälligst möglich lange vom Unternehmen ausbeuten, ohne das Risiko Mutter zu werden. Als nächstes kommt dann noch die Zwangsverhütung im Dienstvertrag, oder wie?
Wirtschaft vs biologische Uhr
Wie schön, dass der ungebremste Wachstumszwang der Ökonomie uns Frauen in diesem Fall sogar noch netterweise die Möglichkeit bezahlt, die uns eine Wahl lässt.
So wird die biologische Uhr, die für Arbeitgeber_innen einfach sehr unpraktisch ist, ausgetrickst.
Wenn wir das zu Ende denken und dabei sehr konsequent sind - was ja die Effizienzpäpste ohnehin dauernd fordern – würde das bedeuten: Zukünftig sollen Frauen, die sich Familie wünschen, erst ab 40 Mutter werden. Weil dann haben sie während ihrer produktivsten Jahre in 40 bis 60 Stunden Jobs ordentlich gearbeitet.
Das heißt, es wächst eine Generation heran, die nicht nur zu Beginn erst mal auf Eis gelegt wurde, sondern dann auch überwiegend Eltern haben, die älter sind, immer knapp am Burnout vorbeischrammen und deren Kind das Midlifecrisis-Projekt zu werden droht. Im Prinzip ist dagegen eh nichts einzuwenden, aber als Gesellschaftsmodell?
Vom "richtigen Zeitpunkt" und anderen Hürden.
Also stellt sich wieder einmal die Frage nach dem „richtigen Zeitpunkt“, der uns suggeriert wird. Es kann richtig sein, diesen Wunsch auf später zu verschieben, aber soll der Auslöser der/die Arbeitgeber_in sein?
An alle Paare, denen dieses Modell die Chance eröffnet, den Elternwunsch überhaupt realisieren zu können: Das ist total o.k.! Aber auch die würden diese Prozedur mit Hormongaben, vielen fehlgeschlagenen Versuchen und dem ganzen Hightech-Arsenal der Reproduktionsmedizin gerne vermeiden, wenn sie doch könnten.
Es geht also an der wirklichen Herausforderung völlig vorbei.
An der täglichen Hürde, welche familienaffine Menschen meistern sollten: wir möchten zwischen 30 und 40 einen Partner finden, Kinder haben und beide vollzeit Jobs haben. Darüber hinaus sollte das Haus oder die Eigentumswohnung sowie das neue Auto abbezahlt sein, Schule und Ausbildung der Kinder erfolgreich geschultert werden und Freunde und Freizeit muss man auch noch irgendwie unter einen Hut bekommen.
Für alle, die nicht von der Tante Fritzi oder sonst wem geerbt haben und durch den Onkel Pepi oder sonstige Seilschaften in einen coolen Job gehievt wurden, ein echtes Problem. Diese Vielfachbelastung lässt alle Beteiligten oft nur so japsen.
Die Kinder japsen vor lauter Leistungsstress, die Mütter japsen von der Krabbelstube zur Arbeit, durch die Küche zur Waschmaschine und wieder zurück, die Papas japsen nach Luft, weil jede Minute getaktet ist (obwohl die immer noch zum Zeitunglesen kommen … keine Ahnung, wie das geht …).
Lösungen?
Ich frage mich: Warum arbeiten wir nicht alle 30 Stunden? Da könnten Mütter und Väter sich um Kinder kümmern, mehr Leute hätten Arbeit, mehr Menschen hätten Zeit, sich in ihrer Freizeit zu bilden, Kultur und Sport zu genießen, es bliebe plötzlich Zeit für ehrenamtliche Arbeit, die wieder allen zugutekommt.
Auch die lieben Großeltern könnten mehr von der Familie betreut werden, die Wirtschaft würde wiederum von der gleichmäßigeren Verteilung der Einkommen profitieren und es wären nicht alle mit 60 so erschöpft, dass sie nicht mehr arbeiten wollen. Vielmehr wäre die längere Arbeitszeit im Alter plötzlich eine Perspektive, denn Aktivität hält fit und belässt uns im sozialen Kontext.
Fazit
Derzeit hat unser Lebenslauf das Schlange-Elefanten-Problem:
Wenn das Große vom Langen verschluckt wird, sieht es wie die Lebenskurve aus – vorne und hinten nix, aber in der Mitte kommt‘s ganz dick daher.
Dieser Text ist unter CC BY 4.0 International lizenziert.
Autorin
Brigitte Singer
Brigitte Singer ist pädagogische Mitarbeiterin im Salzburger Bildungswerk. Ihre Schwerpunkte sind Eltern- und Frauenbildung.
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