Gitte Reppin war 20 Jahre lang als Schauspielerin tätig, vor allem auf der Bühne – zuletzt am Volkstheater Wien. Mit dem für viele Menschen vermeintlichen Traumberuf hat sie vor zwei Jahren radikal „Schluss gemacht“ und wird nun Gärtnerin. In unserem Bericht erzählt sie, warum.
Von der Schauspielerin zur Gärtnerin

Eigentlich hat sich der Beruf Schauspielerin für die heute 44jährige Gitte Reppin zufällig ergeben. Sie ist noch in der DDR geboren und in ihre Jugend fiel in die Zeit, als die ehemaligen DDR-Bundesländer zu Deutschland kamen. Für viele Menschen bedeutete dieser Umbruch Überforderung – auch für ihre Eltern. Mit der Berufswahl war die Schülerin somit ziemlich auf sich allein gestellt. Einerseits orientierungslos, hatte sie jedoch schon Berührungen mit dem Theater gehabt. „Mir gefiel der Umgang mit der Sprache sehr gut und ich war textverliebt,“ berichtet Reppin. Eine andere, zum Beispiel akademische, Ausbildung traute sie sich nicht zu, sie hielt sich nicht für gut genug. Mit 15 Jahren begann sie neben der Schule mit dem Theaterspielen. Das gab ihr Halt. „Und natürlich packt einen dann auch der Ehrgeiz,“ ergänzt sie. „Nach dem Abitur ging ich zum Studium nach Berlin, wollte aber eigentlich nichts anderes als Schauspielerei machen, also ging ich vorsprechen und konnte in München an der Falckenberg-Schule lernen, einer sehr guten Schule in Deutschland. Noch vor Beendigung des Studiums hat mich der kürzlich verstorbene Intendant und Regisseur Klaus Peymann nach Berlin an das Berliner Ensemble engagiert.“
In den folgenden 20 Jahren als Schauspielerin auf verschiedenen Bühnen in Deutschland und Österreich kam sie immer weniger mit den vielfältigen und unklaren Anforderungen in dem sogenannten künstlerischen Beruf zurecht. „Es hat ja nur ein kleiner Teil wirklich mit „Kunst“ zu tun. Es gibt so viel Drumherum, es wollen so viele Leute mitreden und mitverdienen, das nimmt den bei weitem größeren Teil des Jobs ein. Und von der Schauspielerin wird erwartet, dass sie sich unterordnet, keine Probleme macht und einfach „Ja“ sagt. Und so wacht man irgendwann aus dem Traum auf.“ Als Frau werde man da leider meist anders behandelt als ein Mann, erklärt sie, denn „Meinungsstärke ist nur bei Männern sexy oder zumindest gesteht man es den Männern eher zu.“ Im Theater brauche man außerdem das Glück, Leute zu treffen, die gut zu einem passen, und Arbeitsplätze zu finden, an denen man sich wohlfühlt. „Leider hatte ich dieses Glück nicht. Ich habe viel gewechselt und musste somit immer wieder von vorne beginnen.“
Kompletter Branchenwechsel
Aus diesen Gründen trug Reppin schon länger den Gedanken mit sich, mit der Schauspielerei aufzuhören und etwas ganz anderes zu suchen. Der psychische Druck wurde allerdings zu groß: „Eines Tages machte ich einfach Schluss. Das war keine durchdachte Entscheidung. Ich fühlte mich eingesperrt, konnte mich nicht mehr entwickeln. Ich habe es auf dramatische Art und Weise hingeschmissen – und bin dann vor dem Nichts gestanden,“ bringt sie es auf den Punkt. Damals war sie 42 Jahre alt.
Unterstützt hat sie auf dem weiteren Weg eigentlich niemand, sie hatte kein Coaching und keine professionelle Beratung. „Ich habe das aber auch nicht gesucht, ich war schon immer eigensinnig und habe am Ende selbst entschieden, was ich wollte.“ Allerdings hatte sie Menschen, die ihr Rückhalt gegeben haben für ihren Neuanfang. Nicht zuletzt bekam sie viel Unterstützung von ihrer Mutter, „seelisch und auch finanziell“. Somit nahm sie sich Zeit für ihre Neuorientierung und stellte sich Fragen wie: Was will ich nicht mehr? Wo habe ich nicht mehr so viel mit Menschen zu tun? Und was hat mir immer schon gefallen? „Ich wollte alles abschließen und komplett hinter mir lassen!“
Mecklenburg fiel ihr ein – jene Gegend, in der sie aufgewachsen war. Sie mochte die schöne Landschaft und die interessanten Pflanzen schon immer. „Ich dachte: Der Umgang mit Pflanzen reduziert Stress. Außerdem unterstützt und pflegt der Gärtner zwar die Pflanze, aber im Grunde macht die Pflanze alles von allein. Vor spezifisch handwerklichen Berufen hatte ich zu viel Respekt. Ich konnte ja nicht irgendwo einsteigen und dann glauben, ich habe sofort das gleiche handwerkliche Geschick wie jemand, der das schon seit 20 Jahren macht, das hole ich nicht mehr auf. Man muss mit über vierzig dann auch realistisch bleiben.“
Was ist mir wichtig?
Ich wollte alles abschließen und komplett hinter mir lassen!“
Gitte Reppin suchte etwas, woraus sie nach der stressigen Zeit Kraft schöpfen konnte, sie wollte Klarheit und Kontinuität. „Ich wollte etwas, bei dem es einmal nicht um mich geht. Es heißt nicht umsonst, dass Schauspieler:innen egozentriert sind, das ist leider wirklich eine Berufskrankheit.“ Die Natur habe ihr schon immer gefallen. Eine Option wäre gewesen, mit Tieren zu arbeiten – jedoch auch bei diesem Gedanken fühlte sie sich unsicher „Das ist so ein weites Feld, es gibt da auch so viele Meinungen und wo ein Tier ist, ist auch schnell ein Mensch, mit dem man sich auseinandersetzen muss.“ Also entschied sie, den Umgang mit den Tieren im Privatbereich zu belassen. „Ich habe jetzt endlich reiten gelernt und gehe mit meinem Pony spazieren.“ So fiel schließlich die Entscheidung, in einer Gärtnerei zu arbeiten.
In der Zeit der Neuorientierung fühlte sie sich von ihrer Beraterin beim AMS gut unterstützt, denn: „Sie hat mir die Zeit und den Raum gelassen, meinen eigenen Weg zu finden,“ erzählt sie von ihrer positiven Erfahrung in einer herausfordernden Situation.
Auch der Nachhaltigkeits-Aspekt hat sie ein bisschen bei der Berufswahl geleitet. „Irgendwie schon, aber nicht auf so naive Weise, wie vielleicht als jüngere Frau.“ Wie nachhaltig ein mittelgroßer Produktionsbetrieb sein kann, das ist immer ein Balanceakt zwischen gutem Willen und Konkurrenzfähigkeit. „Da kann man lange diskutieren. Wir machen zum Beispiel biologischen Pflanzenschutz, weitestgehend. Wenn es gar nicht anders geht, setzen wir sehr gezielt auch mal chemische Mittel ein. Aber wir versuchen die Pflanzen im Vorfeld zu stärken. Starke Pflanzen schützen sich im besten Fall selbst.“
Sie zog nach ihrem Schlussstrich aus der Stadt Wien weg und lebt und arbeitet nun in Niederösterreich, im ländlichen Umfeld bei Tulln.
Tipps für die Zeit der Orientierung
Wichtig ist laut Gitte Reppin, sich genügend Zeit für die Neuorientierung zu verschaffen. Den harten Schnitt im Leben muss man sacken lassen. Es dauert, bis man realisiert hat, dass man wirklich „raus“ ist. „Denn man identifiziert sich immer sehr mit dem langjährigen Beruf,“ stellt sie klar. „Danach muss man erst rausfinden, wer man sonst noch ist. Und da muss man vielleicht auch etwas ausprobieren. Es ist meist nicht möglich, schnell mal etwas Passendes innerhalb von zwei Monaten zu finden.“ Auch die Lust auf Unbekanntes sollte man bei so einem Berufswechsel haben. Und keine Scheu davor, etwas Neues zu lernen: „Ich bin erstaunt, was ich alles gelernt habe in den letzten zwei Jahren. Ich habe erlebt, wie viele Kompetenzen ich in mir habe!“
Nächster Schritt: Ausbildung zur Gärtnerin
Mittlerweile arbeitet sie seit mehr als einem Jahr in der Gärtnerei. Die entsprechende Ausbildung folgt ab Herbst an der Gartenbauschule in Langenlois in Niederösterreich. Die Ausbildung erfolgt auf dem 2. Bildungsweg, d. h. sie ist berufsbegleitend und erstreckt sich über 1,5 Jahre. Sie wird den sogenannten GGS-Kurs belegen (Gärtner- und Gärtnerinnenschule), kann am Ende der Ausbildung eine Facharbeiterprüfung vor der Landwirtschaftskammer ablegen und ist dann landwirtschaftliche Gärtnerin. Mit der bisherigen Arbeit in der Gärtnerei hat sie bereits den verpflichtenden Praxisteil der Ausbildung in der Tasche.
Die Finanzierung der Ausbildung übernimmt der Betrieb, in dem sie arbeitet. Der Nachteil der Vereinbarung ist allerdings, dass sie für die Wochen in der Berufsschule ihren Urlaub verwenden muss. Das bedeutet zwar, dass eine intensive Zeit vor ihr liegt, aber sie freut sich umso mehr darauf, bald fertig ausgebildete Gärtnerin zu sein.

Es ist wichtig, sich genügend Zeit für die Neuorientierung zu verschaffen."
Aufgaben in der Gärtnerei
Der Betrieb, in dem Reppin arbeitet, produziert mehrjährige Stauden. Derzeit hat sie mehrere abwechslungsreiche Aufgaben zu erledigen, dazu gehört der Pflanzenschutz: Das bedeutet, Mängel, Krankheiten und Schädlinge an den Pflanzen zu erkennen und gegen diese vorzugehen. Sie führt wöchentliche Düngungen durch und ist vom Säen, Pikieren, Topfen, Pflegen bis zum Verkauf bei allen Tätigkeiten dabei. Pflegearbeiten wie Unkraut jäten und aufräumen gehören ebenso zu ihrem Job.
Besonders gerne arbeitet sie mit der „Topfmaschine“. Damit topft man die Pflanzen wie am Fließband ein, und was ihr dabei gefällt ist: „Das ist für mich aktive Entspannung! Die Maschine gibt den Rhythmus vor und du musst folgen, das braucht ein wenig, sich daran zu gewöhnen, aber dann ist es sehr meditativ, sozusagen.“
Und sie hat auch etwas von den Pflanzen gelernt, das formuliert sie so: „Wenn der Standort und andere entscheidende Bedingungen nicht passen, gedeiht die Pflanze nicht. Sie mag die schönsten Anlagen haben, doch die können sich nicht entfalten. Die Pflanze hat einen genauen inneren Plan darüber, was sie braucht und das fordert sie ein. Daran kann man sich ein Beispiel nehmen.“
Welche neuen Herausforderungen der Berufswechsel mit sich bringt
Bei so einem drastischen Schritt im Lebenslauf gibt es plötzlich völlig andere Herausforderungen: Reppin musste sich erst an lange 8 Stunden Arbeit pro Tag gewöhnen, und das an 5 Tagen die Woche. Während der Frühjahrssaison auch länger und durchaus auch mal am Wochenende. Als Gärtnerin zu arbeiten, bedeutet harte Arbeit, und zwar bei jedem Wetter – ob es heiß ist oder kalt, regnet oder schneit. Begonnen wird bereits um 7 Uhr früh. Aber: „Nachteile gibt es in jedem Beruf, die bekommt man sowieso früher oder später mit“, meint Reppin. „Und dann muss man entscheiden: Kann ich damit leben oder nicht?“ Auch Zweifel kamen beim Berufswechsel auf: „Ich hatte Angst, dass ich körperlich nicht stark genug bin für den Job.“
Was die Zukunft bringt? Der nächste Schritt ist nun, ihre Berufsausbildung abzuschließen. Danach möchte sie entscheiden, wo sie sich vielleicht noch spezialisieren und eine entsprechende Weiterbildung machen will. „Für mich ist die Schule nicht der letzte Schritt. Ich weiß nicht, was noch passieren wird, und das finde ich auch schön so!“
Persönliche Erfüllung?
Was Gitte Reppin aus heutiger Sicht bereits sagen kann: Großteils wurden ihre Erwartungen an den neuen Beruf erfüllt. Es gibt klare Aufgaben, klare Abläufe und der Stress der Stadt ist weit weg. „Natürlich gibt es manchmal sehr viel Arbeit, aber ich mache eins nach dem anderen, dann eben schneller, wenn die Zeit knapp ist. Aber im Kopf ist das für mich nicht mehr so anstrengend.“ Und noch ein Vorteil: Wenn sie am Abend von der Arbeit nach Hause kommt, ist der Tag für sie auch abgeschlossen.
„Als Schauspielerin habe ich die Welt nur mehr als Bühne gesehen. Jede Stadt stellte für mich ein Bühnenbild dar, die Menschen waren die Charaktere, jede soziale Situation war eine Szene, das hat mich verrückt gemacht. Vielleicht habe ich auch alles viel zu ernst genommen“, überlegt sie und fasst ihre Freude über ihren neuen Beruf so zusammen: „Man kann die Tätigkeiten als Gärtnerin natürlich als monoton sehen. Für mich sind sie beruhigend. Ich hatte schon genug Aufregung in meinem Leben!“

Dieser Text ist unter CC BY 4.0 International lizenziert.

Autorin
Daniela Bayer-Schrott
Redakteurin und PR-Fachfrau. Mag Vielfalt, Lernen und lacht gerne. Beruflich und privat sind ihr Weiterentwicklung und Offenheit für Neues wichtig. In ihrer Freizeit ist sie viel in Stadt und Land Salzburg unterwegs und liebt die bunte Mischung von Natur und Kultur.
Gärtner:in
Einen guten Überblick über das Berufsbild Gärtner:in, Ausbildungswege, Lehrbetriebe und Weiterbildungen findet man unter www.beruf-gaertner.at
Es gibt ganz individuelle Wege, um den Beruf Gärtner:in erlernen zu können, z.B.:
- Lehre
- Fachschule
- Berufsbildende höhere Schule
- 2. Bildungsweg...
Zusätzliche Informationen über Berufsbilder: https://bic.at/
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Für die Steirer und Steirerinnen gibt es hier alle Beratungstermine nach Bezirken sortiert auf einen Blick: bildungsberatung-stmk.at
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Die Bildungsinformation Burgenland hilft Ihnen bei allen Fragen zur Aus- und Weiterbildung.
Niederösterreich
Deine Bildungsberatung – auch auf Russisch, Ukrainisch, Polnisch, Englisch, Arabisch … - findest du auf der Website: www.bildungsberatung-noe.at
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aktualisiert: Juni 2024
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