Wie eine Schulabbrecherin zur Bildungsberaterin wurde

Sie sind Bildungs- und Berufsberaterin bei bildungsinfo-tirol. Welche Ausbildungen haben Sie gemacht?

Ich war eine klassische Schulabbrecherin – keine Schule habe ich länger als ein Jahr besucht, oft bin ich auch rausgeflogen. Nach Aufenthalten in London und Italien stand für mich fest: Mein Traum war es, zu studieren. Doch wie, ohne Matura?

Also begann ich die Abend-HAK. Buchhaltung wurde mir jedoch zum Verhängnis, und auch diese Ausbildung brach ich nach einem Jahr ab. Schließlich gehörte ich zu den ersten, die die damals neu geschaffene Studienberechtigungsprüfung nutzen konnten. Endlich machte Lernen für mich Sinn: Ich lernte, um mir meinen Traum vom Studium zu erfüllen. Ein Jahr später konnte ich an der Universität Innsbruck vergleichende Literaturwissenschaft und Germanistik studieren – eine faszinierende Zeit.

Natürlich wurde ich oft gefragt, was ich mit diesem Studium „anfangen“ wolle. Doch diese Frage habe ich nie beantworten wollen – und auch nicht müssen. Für mich war entscheidend, meinen Weg zu gehen und meinem Interesse am Lernen zu folgen.

Mit welchen beruflichen Stationen ging es dann weiter?

Nach meinem Studium habe ich mich für zwei Stellen beworben – eine im Sozial- und eine im Bildungsbereich. Beide Verantwortlichen fragten mich im Bewerbungsgespräch, warum sie gerade mich einstellen sollten, obwohl ich keinerlei Berufserfahrung hatte. Meine Antwort: Ich bin neugierig, interessiert, habe Auslandserfahrung gesammelt und bin bereit, dazuzulernen. Das überzeugte – ich erhielt beide Zusagen.

Entschieden habe ich mich für die Stelle im Bildungsbereich: die Leitung des Ausbilderforums, einer Servicestelle für Lehrlingsausbilder:innen, die tirolweit Weiterbildung und Vernetzung organisiert und das Image der Lehrlingsausbildung stärkt. Dort war ich für die Konzeption und Organisation von Weiterbildungen und Veranstaltungen verantwortlich.

Als mich mein damaliger Vorgesetzter ermutigte, eine Arbeit über das Projekt einzureichen, zögerte ich zunächst. Doch ich tat es – und erhielt 2002 den Staatspreis für Erwachsenenbildung. Damit hatten wir als Team nicht nur eine umfassende Dokumentation unserer Arbeit in Händen, sondern auch finanzielle Mittel, mit denen ich meine Ausbildung in „Supervision, Coaching und Organisationsentwicklung“ an der ARGE Bildungsmanagement in Wien finanzieren konnte.

Es folgten Tätigkeiten als Bildungs- und Berufsberaterin bei der Arbeiterkammer Tirol, im EU-Projekt „Laufbahnberatung“ im Zukunftszentrum sowie Workshops für Jugendliche zum Thema „Kompetenzwerkstatt“. Nach dem Projektende übernahm die amg-tirol (Tiroler Arbeitsmarktförderungsgesellschaft mbH) das Nachfolgeprojekt bildungsinfo-tirol – und ich wechselte vom Ausbilderforum in die bildungsinfo-tirol, wo ich bis heute tätig bin.

Highlights und Herausforderungen in der Bildungsberatung

Was ist das Highlight für Sie in Ihrer Aufgabe?

Menschen zu motivieren, sie zu inspirieren und zu empowern.

In der Berufs- und Bildungsberatung treffe ich häufig auf Menschen, die unsicher sind, welchen Weg sie einschlagen sollen. Besonders junge Menschen stehen oft unter großem Druck, die „richtige“ Berufswahl zu treffen, und fühlen sich dadurch überfordert. Meine Aufgabe ist es, ihnen Orientierung zu geben, unterschiedliche Möglichkeiten aufzuzeigen und sie dabei zu unterstützen, mit Stress und Unsicherheiten umzugehen.

Das größte Highlight ist für mich, wenn ich miterleben darf, wie Menschen neues Selbstvertrauen entwickeln und plötzlich neue Perspektiven für sich entdecken. Genau das macht meine Arbeit so erfüllend.

Man hört, dass Sie richtig Freude an Ihrer Arbeit haben.

Ja, ich liebe meine Arbeit!!

 

Was sind die Herausforderungen in Ihrem Beruf?

Die Arbeitswelt befindet sich in einem ständigen Wandel – geprägt durch Globalisierung, demografische Entwicklungen, Digitalisierung und Automatisierung. Das bedeutet, dass nicht nur unsere Kund:innen, sondern auch wir als Berater:innen uns kontinuierlich weiterentwickeln müssen.

Herausfordernd sind zudem die sich verändernden Förderkriterien, die enorme Vielfalt an Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, die rasanten technologischen Entwicklungen sowie gesellschaftliche Veränderungen. All diese Faktoren erfordern von uns viel Flexibilität und ein hohes Maß an Aktualität, um Menschen bestmöglich unterstützen zu können.

Was ist Ihnen noch wichtig zu sagen?

In der Bildungs- und Berufsberatung verstehen wir uns als zentrale Schnittstelle. Wir schicken die Menschen nicht einfach weiter, sondern beraten fundiert und verweisen – wenn notwendig – gezielt an die passenden Stellen. Bei uns laufen die Informationen der gesamten Sozial- und Bildungslandschaft zusammen. So erhalten Beratungskund:innen alle relevanten Auskünfte rund um Bildung und Beruf, die sie für ihren weiteren beruflichen Weg brauchen.

Herzlichen Dank für das Gespräch!