Working Poor – Wenn Arbeit nicht vor Armut schützt

300.000 Menschen in Österreich können sich ihr Leben trotz Arbeit nicht leisten

Arbeit schützt vor Armut. Doch für eine nicht so geringe Zahl an Menschen gilt eben das nicht.

Von Stefan Bogner, Michaela Schmidt und Florian Preisig - AK Salzburg (Gastautor:in) |
iStock Alex Linch 01

Das Risiko von Working Poor trifft zumeist Personen mit geringer Bildung, Migranten und Migrantinnen und Menschen, die auf Hilfsarbeiterjobs angewiesen sind. Denn obwohl Österreich ein reiches Land ist, bleibt Armut weit verbreitet. 1,2 Millionen Menschen waren im Jahr 2017 armutsgefährdet, das entspricht 14,4 Prozent der Bevölkerung. Im Bundesland Salzburg betraf Armutsgefährdung 69.000 Personen.

Zitat

Als armutsgefährdet gilt, wer weniger als 1.238 Euro netto pro Monat zur Verfügung hat.

In den meisten Fällen bietet Arbeit Schutz vor Armut. So liegt bei Erwerbstätigen das Armutsgefährdungsrisiko bei unterdurchschnittlichen 8 Prozent. Zum Vergleich: Bei ganzjähriger Arbeitslosigkeit ist jeder Zweite armutsgefährdet (56 Prozent).

Doch es gibt auch genügend erwerbstätige Menschen, deren Einkommen keinen Lebensstandard über der Armutsgefährdungsschwelle ermöglicht. Als armutsgefährdet gilt, wer weniger als 1.238 Euro netto pro Monat zur Verfügung hat. Hier spricht man vom Phänomen: Working Poor. In Österreich betrifft es 300.000 Personen, davon sind 170.000 Männer und 131.000 Frauen.

Schützt (Aus-)Bildung vor Working Poor?

Menschen mit geringer formaler Bildung sind besonders von Working Poor betroffen. Bei Personen mit maximal Pflichtschulabschluss liegt das Risiko bei überdurchschnittlichen 14 Prozent. Hilfsarbeiterinnen und Hilfsarbeiter betrifft Working Poor doppelt so häufig, wie Facharbeiterinnen und Facharbeiter - 14 versus 7 Prozent.

Zwar bietet (Aus)-Bildung einen relativ guten Schutz, jedoch kann selbst ein Universitätsabschluss nicht immer verhindern, von Working Poor betroffen zu sein: Bei Personen mit universitärer Ausbildung beträgt die Quote der armutsgefährdeten Erwerbstätigen immerhin auch 7 Prozent. Hier können besonders prekäre Arbeitsverhältnisse (z.B. Scheinselbständigkeit, befristete Projektarbeit auf Teilzeitbasis oder auf Basis von geringfügiger Beschäftigung) zur Betroffenheit führen.  

Viele Migrantinnen und Migranten sind arm trotz Arbeit

Bei Nicht-Österreicherinnen und Nicht-Österreichern beträgt die Working-Poor-Quote 16 Prozent. Zum Vergleich: Österreichische Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen weisen mit einer Betroffenheit von 6 Prozent ein deutlich geringeres Risiko auf. Dies deckt sich mit statistischen Befunden, wonach Migrantinnen und Migranten überdurchschnittlich oft im Niedriglohnsektor beschäftigt sind.
Aufgrund von teilweise mangelnden Sprachkenntnissen oder geringer Qualifikation, nicht selten aber auch wegen Diskriminierungen oder der fehlenden Anerkennung von nicht-österreichischen Ausbildungsnachweisen werden Migrantinnen und Migranten auf Arbeitsplätze mit geringem Qualifikationsniveau  (bei entsprechend geringer Entlohnung) verwiesen.  

Niedriglohnbeschäftigung als eine der Hauptursachen von Working Poor

In vielen Fällen ist schlichtweg die schlechte Entlohnung Grund für die Betroffenheit von Working Poor. So verdienen österreichweit 160.000 ganzjährig Vollzeitbeschäftigte unter der Armutsgefährdungsschwelle. Im Bundesland Salzburg verdienten 7.800 ganzjährig Vollzeitbeschäftigte sogar weniger als 1.000 Euro netto pro Monat.

Ein weiterer möglicher Risikofaktor ist eine geringe Wochenarbeitszeit, die sehr häufig Betreuungs- oder Versorgungspflichten geschuldet ist. Frauen arbeiten dabei weit häufiger in Teilzeit als Männer. Bei Teilzeitbeschäftigten ist jede bzw. jeder Zehnte unter der Armutsgefährdungsschwelle.

Eine Auswahl an (Gegen-) Maßnahmen

Prekarisierung stoppen, Qualifizierung gerechter fördern, Mindestlohn erhöhen:
Gerade neue Arbeitsformen und Arbeitsverhältnisse mit hohem Working-Poor-Potential brauchen einen effektiven arbeits- und sozialrechtlichen Schutzrahmen. Beispielhaft hierfür könnte die Schaffung eines Crowdwork-Gesetzes sein, um eine faire Entlohnung und gute Arbeitsbedingungen auch in der neuen Arbeitswelt sicherzustellen.

Das bisherige System der Weiterbildung in Österreich hat Lücken und die Chancen darin sind unterschiedlich verteilt. Besser Qualifizierten stehen mehr Möglichkeiten offen als gering und mittel Qualifizierten. Instrumente wie die Bildungskarenz oder die Bildungsteilzeit sind für Personen mit einer fixen Stelle konzipiert, nicht aber für jene, die häufiger den Arbeitgeber wechseln (müssen).   
Daher braucht es einen Rechtsanspruch auf Qualifizierungsgeld  in existenzsichernder Höhe, womit sich gerade auch die Weiterbildungschancen für Geringqualifizierte erhöhen würden.

Ein wichtiges Instrument, um den Betroffenen von Working-Poor unmittelbar zu helfen, ist der Mindestlohn. Perspektivisch ist daher die schrittweise Anhebung der kollektivvertraglichen Mindestlöhne und -gehälter auf monatlich 1.700 Euro brutto - und zwar in allen Branchen - anzustreben. 

Crowdwork - Nie gehört?! Was dahinter steckt, wird im Video der AK erklärt.

CC BY

Dieser Text ist unter CC BY 4.0 International lizenziert.

Teilen auf:

Hier findet Ihr weitere Artikel zum Thema:
Arbeitsrecht
Weiterbildung
InfoboxBildungsline

Du willst noch mehr Infos?

Die Bildungsline gibt Antworten

Neue Bildungswege im Netzwerk Bildungsberatung

Kostenfreie Informationen & Beratung

nach oben

Bildungsinfo aktuell

InfoboxVerkürzte Lehre für Maturant:innen

Inhalt anzeigen

Eine Lehre nach der Matura hat so manche Vorteile. Der wohl wichtigste ist die Verkürzung der Lehrzeit um ein Jahr. Wobei das nur bei Lehrausbildungen, die länger als zwei Jahre dauern, möglich ist. Zudem werden oft Fächer, die bereits mit der Reifen-und Diplomprüfung abgelegt wurden in der Berufsschule angerechnet und/oder sogar als Ersatz der gesamten Lehrzeit angesehen. 

Für ganz Österreich gilt: Die Verkürzung findet so statt, dass sich die jeweiligen Lehrjahre reduzieren:

  • Bei Verkürzung von dreijährigen Lehrberufen ist das pro Lehrjahr ein Drittel: Statt 12 Monaten dauert jedes Lehrjahr nur 8 Monate.
  • Bei vierjährigen Lehrberufen werden die ersten beiden Lehrjahre ebenfalls auf 8 Monate verkürzt, die letzten beiden auf 10 Monate (8-8-10-10 Monate). 
  • Bei 3,5-jährigen Lehrberufen bleibt das letzte Halbjahr unverändert (8-8-8-6 Monate).

Lehrlingseinkommen bei verkürzter Lehrzeit

Bei einer verkürzter Lehrzeit gibt es Sonderregelungen: Diese können sich aus dem jeweiligen Kollektivvertrag oder aus Vorgaben eines Fördermodells ergeben.

Als Grundregel bei verkürzter Lehrzeit gilt, dass sich das Lehrlingseinkommen an die Verkürzung der Lehrjahre anpasst:

  • Bei dreijährigen Lehrberufen gibt es daher für die ersten 8 Monate das Einkommen des 1. Lehrjahres, für die zweiten 8 Monate den Betrag für das zweite Lehrjahr und für die letzten 8 Monate gilt der Lohn des dritten Lehrjahres.
  • Oft wird bereits im ersten Lehrjahr das Einkommen für das zweite Lehrjahr bezahlt.
  • Für über-18-jährige Lehrlinge ist in manchen Kollektivverträgen ein erhöhtes Lehrlingseinkommen verpflichtend vorgesehen. Auch aus Förderrichtlinien kann sich ein höherer Betrag ergeben.

Weiterführende Links:

Berufsschule bei verkürzter Lehrzeit
Die Umsetzung der verkürzten Lehrzeit in der Berufsschule hängt vom jeweiligen Lehrberuf ab: In einigen Lehrberufen gibt es bereits eigene Klassen für Lehrlinge mit verkürzter Lehrzeit, die auf die abweichende Dauer der einzelnen Lehrjahre abgestimmt sind.

Dies ist derzeit in Wien in folgenden Berufen der Fall: Bürokaufmann/frau, Reisebüroassistent:in & Konditor:in.

In Lehrberufen, wo es keine eigenen Klassen gibt, muss die Abwicklung mit der jeweiligen Berufsschule besprochen werden. Im Regelfall können Maturant:innen eine Schulstufe der Berufsschule überspringen, sodass sich der Abschluss der Berufsschule in der verkürzten Lehrzeit ausgeht. Zusätzlich können Maturant:innen auf Antrag von einzelnen Fächern befreit werden, wenn sie bereits entsprechende Vorkenntnisse haben und diese nachweisen.

Welche Regelungen für Maturant:innen in welchen Lehrberufen genau gelten, ist je nach Bundesland etwas unterschiedlich. Zusätzlich gibt es in einigen Lehrberufen eigene Regelungen auf Kollektivvertragsbasis. Generell können die Konditionen zwischen Lehrherren/Lehrherrin und Lehrling künftig direkt vereinbart werden.

Hierbei gilt es zu beachten: Die Verkürzung ist nicht verpflichtend, es kann auch die normale Lehrzeit vereinbart werden.

TIPP: Ein Besuch bei der Bildungsberatung kann dir helfen, die genauen Voraussetzungen für dein Bundesland schnell und einfach zu finden.

Zuletzt aktualisiert am 3.7.2024 von BiBer Bildungsberatung