Elisabeths Weg auf 4 Rädern durch die Arbeitswelt

Barrieren sind auf dem Ausbildungs- und Berufsweg von Elisabeth Losbichler nichts Seltenes. Viele davon befinden sich in den Köpfen der Menschen. Wie sie trotzdem ihren Optimismus bewahrt und ihre Ziele nicht aus den Augen verliert, erzählt sie im Interview.

von Daniela Bayer-Schrott | | Einblicke Lest mehr zum Thema:
Ausbildung, Berufsgeschichten, Interview, Reportage
Auf 4 Raedern durch die Arbeitswelt

Elisabeth, wie alt bist du jetzt und was machst du beruflich?

Ich bin 38 Jahre alt und arbeite im Recruiting eines großen österreichischen Handelsunternehmens.

  

Was hast du für eine Behinderung?

Ich hatte einen Sauerstoffmangel bei der Geburt, außerdem kam ich 5 Wochen zu früh auf die Welt. Daher gehe ich nicht auf 2 Füßen, sondern fahre auf 4 Rädern durchs Leben.

  

Welche Erfahrungen hast du während deiner Schulzeit gemacht?

Meine Volksschule war eine Regelschule mit integrativem Aspekt: Eine Begleitperson hat mich bei gewissen Aufgaben und bei Lehrausgängen unterstützt.

Die Volksschulzeit war schwierig, heute würde man sagen, ich wurde diskriminiert. Zum Beispiel habe ich in Diktaten meist schlechtere Noten bekommen als andere, die gleich viele Fehler hatten wie ich. Der einzige Grund: Ich bin beim Schreiben aufgrund meiner Behinderung langsamer.

In der Hauptschulzeit sind die Lehrer:innen besser auf mich eingegangen und haben mich gut in die Klassengemeinschaft eingebunden. So habe ich endlich einen „normalen“ Umgang mit mir erfahren!

Sonderschule – ja oder nein?

Mir wurde während der Schulzeit oft gesagt, ich solle in die Sonderschule gehen. Meine Eltern haben sich strikt dagegen gewehrt, und dafür bin ich ihnen heute noch dankbar. Ich persönlich finde es besser, Menschen mit Behinderungen zu inkludieren. So gut die Betreuung in der Sonderschule auch sein mag – leider bekommt man damit fürs ganze Leben einen Stempel aufgedrückt. Viele Möglichkeiten sind dadurch verbaut.

Mein Wunschberuf war lange Zeit die Buchhaltung, und so bin ich in die HAK gegangen. Vorbild waren meine Eltern, die beide in einer Bank gearbeitet haben. Und ich dachte, das geht mit Rollstuhl auch.

In der 4. Klasse HAK bin ich mit meiner Cousine in ein Jugendlager mitgefahren. Am letzten Tag wurde mir vor der Abschlussfeier kurzerhand das Mikro in die Hand gedrückt – ich durfte den Abend moderieren. Den Leuten hat das so gefallen, sie sind gelegen vor Lachen! So etwas wollte ich beruflich machen, daher habe ich nach der Matura das Kommunikationsstudium angefangen.

  

Wer hat dich in deiner Ausbildungszeit gestärkt?

Meine Eltern haben mich, was Bildung betrifft, sehr unterstützt. Sie waren immer im Hintergrund da. Die Kehrseite der Medaille ist, dass dadurch ein stärkeres und längeres Abhängigkeitsverhältnis entstanden ist.

  

Wie ist es auf der Uni weitergegangen?

Ich bin von Niederösterreich nach Salzburg gezogen und habe erstmals allein gewohnt. Ich war noch sehr unsicher, wie das alles gehen soll. Aber auf der Uni habe ich bald gemerkt, dass dieses Studium genau das richtige für mich ist.

Besuch der Uni: Gute Vorbereitung, persönliche Assistenz

Gab es auf der Uni Unterstützung für Menschen mit Behinderung?

Ja, meine Eltern und ich haben im Vorfeld mit der Uni Salzburg Kontakt aufgenommen und wir haben uns vor Ort alles angeschaut. Es gab eine Behindertenbeauftragte, die uns sehr weitergeholfen hat. Außerdem hatte ich anfangs eine persönliche Assistenz, die mich zum Beispiel bei Kopierarbeiten unterstützt oder die Hörsaalerreichbarkeit im Vorhinein gecheckt hat.

Ich habe bereits während des Studiums Praktika gemacht und laufend an Projekten mitgearbeitet. Zum Beispiel an der Veranstaltungsreihe „Wir sind gleich – Studieren barrierefrei“. Dabei soll ein Parcours den Studierenden ohne Behinderung zeigen, wie es ist, wenn man z.B. nichts sieht oder auf welche Barrieren man mit einem Rolli stoßen kann.

Als erste Person mit einer Assistenz auf der Uni bekam ich immer wieder Interviewanfragen von Medien, etwa von den Salzburger Nachrichten oder vom ORF. Nun kenne ich beide Seiten sehr gut, denn während meines Studiums habe ich auch selbst viele Menschen interviewt!

Mit Vereinsarbeit habe ich ebenfalls während des Studiums begonnen: Ich wollte anderen Menschen mit Behinderung das Leben erleichtern. Mein Zugang bei dieser Arbeit war immer schon Diplomatie. Ich möchte nicht Forderungen mit der Brechstange stellen.

Behinderung und Beruf: Viele Unsicherheiten und Unwissenheit

Wie ist es dir bei der Arbeitssuche gegangen?

In Österreich muss ein Unternehmen ab einer bestimmten Größe Menschen mit Behinderung einstellen. Ich war überzeugt: Mit dieser gesetzlichen Grundlage und meiner Ausbildung finde ich sicher gleich etwas. Das war leider nicht so. Aufgrund von Unsicherheiten im Umgang mit Menschen mit Behinderung wird plötzlich der Mensch mit seinen Fähigkeiten nicht mehr gesehen, nur noch die Behinderung und was diese für Schwierigkeiten bringen könnte. Ich glaube, da ist niemand absichtlich boshaft, das ist einfach Unwissenheit.

Schlussendlich habe ich interessante Arbeitgeber kennengelernt, für die ich einige Projekte eigenständig durchführen durfte. Kaum aber stellte sich die Schlüsselfrage – ob eine Festanstellung möglich sei – wurde Abstand genommen. Außerdem drehten sich die angebotenen Projekte alle um das Thema Behinderung. Ich wollte aber nicht immer darauf reduziert werden.

   

Wie findet man als Mensch mit Behinderung den richtigen Arbeitgeber?

Ich habe zahlreiche Blindbewerbungen geschrieben. Über meine vielen Kontakte konnte ich herausfinden, ob ein Unternehmen eher offen für Vielfalt ist. So habe ich auch meinen aktuellen Arbeitgeber gefunden. Emotional und moralisch unterstützt werde ich auch von meinem großen Freundeskreis. Bevor ich zu meinem jetzigen Arbeitgeber kam, hatte ich drei Optionen. Mein bester Freund hat mir bei meiner Entscheidungsfindung geholfen.

  

Bist du stolz auf das, was du erreicht hast?

Ja! Die Behinderung ist einfach mein Packerl, welches mir mitgegeben wurde. Ich sehe sie als Herausforderung und mache das Beste draus. Es gibt immer Leute, die zweifeln: „Aber wie soll das denn gehen?“ Und ich sage mir mit meinem gesunden Optimismus dann: „Jetzt erst recht! Ich zeig euch, was ich kann!“ So habe ich schon vieles erreicht!

Genau das möchte ich auch anderen Menschen mit Behinderung mitgeben: Lasst euch nicht entmutigen. Verliert eure Ziele nicht aus den Augen, dann könnt ihr alles schaffen!

Inklusion beginnt beim ersten Kontakt mit der Gesellschaft

Was möchtest du unseren Leser:innen noch zum Abschluss sagen?

Es ist wichtig, Menschen mit Behinderung jede Bildung zu ermöglichen, die sie machen wollen. Das ist der Grundstock fürs ganze Leben. Und: Inklusion fängt schon viel früher an, als die meisten Menschen denken – nämlich beim allerersten Kontakt mit der Gesellschaft.

Wir sind am Ziel, wenn wir nicht mehr über das Thema „Menschen mit Behinderung“ reden müssen. Bis dahin ist es noch ein langer Weg!

  

Liebe Elisabeth, vielen Dank fürs Teilen deiner Erfahrungen!

Gewusst wie...

Arbeit und Behinderung

Inhalt anzeigen

FÜR UNTERNEHMEN

Das NEBA Betriebsservice bietet Unternehmen in ganz Österreich Antworten und Unterstützung für alle Anliegen rund um das Thema Arbeit und Behinderung. Es wird vom Sozialministeriumservice finanziert.
www.betriebsservice.info

Das Arbeitsmarktservice informiert Arbeitgeber auf folgender Seite über die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen (ams.at)

  

AUSBILDUNG MIT BEHINDERUNG

Überbetriebliche Lehre:

Wenn eine Lehrausbildung aufgrund von Einschränkungen nicht durchführbar ist, gibt es die Möglichkeit einer überbetrieblichen Lehre. Diese wird nicht in einem Unternehmen, sondern in einer Schulungseinrichtung gemacht. Informationen gibt es beim Arbeitsmarktservice:

Überbetriebliche Lehre » verkürzte Lehre | AMS

Universitäten:

An den Unis gibt es Anlaufstellen für Menschen mit Behinderungen. An der Paris Lodron Universität Salzburg ist es die Abteilung Disability & Diversity. Ihre Aufgabe ist es, Studierende mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen zu beraten und während des Studiums zu unterstützen.

www.plus.ac.at/disability-diversity

Jugend am Werk:

Die persönliche Assistenz während des Studiums (aber auch am Arbeitsplatz) wird von „Jugend am Werk“ geleistet, das vom Sozialministeriumservice finanziert wird.

Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz - Jugend am Werk Salzburg (jaw-salzburg.at)

  

FÜR ARBEITSSUCHENDE MIT BEHINDERUNG

MyAbility Jobs:

Das ist ein Jobportal mit inklusiven Jobs für Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen in Österreich. Hier findet man auch einen Blog mit Tipps rund um Karriere & Studium sowie Erfolgsgeschichten.
www.myability.jobs

BIZ (Berufsinfozentren):

Information zu Ausbildung und Berufsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen gibt es auch beim Arbeitsmarktservice bzw. in den Berufsinfozentrem (BIZ) des AMSBIZ » BerufsInfoZentren » Alle Infos | AMS

Arbeiterkammer:

informiert über Rechte, Förderungen und Unterstützung für Menschen mit Behinderungen.

arbeitundbehinderung Arbeit und Behinderung | Arbeiterkammer

NEBA Arbeitsassistenz:

Die NEBA Arbeitsassistenz (finanziert vom Sozialministeriumsservice) unterstützt Menschen mit Behinderungen, ihren Arbeitsplatz zu erhalten oder einen Arbeitsplatz zu finden.
NEBA-Arbeitsassistenz: Warum Arbeitsassistenz

  

LEBEN MIT BEHINDERUNG

ÖZIV Bundesverband:

Interessenvertretung für Menschen mit Behinderungen und chronischen Krankheiten. Angeboten werden unter anderem Coaching oder Weiterbildung.

ÖZIV - Bundesverband für Menschen mit Behinderungen (oeziv.org)

BIZEPS:

Der Verein BIZEPS betreibt eine Beratungsstelle für Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen in Wien. Diese und die Internetseite www.bizeps.or.at mit aktuellen redaktionellen Beiträgen wird von Menschen mit Behinderungen für Menschen mit Behinderungen gestaltet.


Knack:Punkt – Selbstbestimmt Leben Salzburg:

Ist eine Interessensvertretung von Menschen mit Behinderungen in Salzburg und bietet kostenlose (Peer-)Beratung. knackpunkt - Selbstbestimmt Leben Salzburg - Willkommen (knackpunkt-salzburg.at)

Allgemeine Informationen:

Eine Sammlung mit vielen weiterführenden Links zum Thema Arbeit und Behinderung bietet die Bundesregierung auf folgender Seite:

Arbeit und Behinderung (oesterreich.gv.at)

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Kostenfreie Informationen & Beratung:

CC BY

Dieser Text ist unter CC BY 4.0 International lizenziert.

von Daniela Bayer-Schrott
Daniela Bayer-Schrott

Über die Autorin

Daniela Bayer-Schrott

Redakteurin, PR-Fachfrau, freie Texterin. Mag Vielfalt, Lernen und lacht gerne. Setzt sich für eine offene und tolerante Gesellschaft ein. In ihrer Freizeit ist sie in Stadt und Land Salzburg unterwegs und liebt die bunte Mischung von Natur und Kultur.

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