Geschlechtsidentität und Berufswahl, wirkt das zusammen?

Unsere Identität beeinflusst unsere Ausbildungs- und Berufswahl. Conny Felice, Geschäftsführerin der HOSI Salzburg, erzählt, wie sich die Suche nach ihrer Geschlechtsidentität auf ihre berufliche Laufbahn auswirkte und gibt Tipps für diesen Weg.

von Daniela Bayer-Schrott | | Einblicke Lest mehr zum Thema:
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Conny Felice, Geschäftsführerin bei HOSI Salzburg

Conny, vorab eine Frage: Ich bin mir wie vermutlich viele Menschen nicht sicher, was man sagen soll und was nicht. Wie darf ich dich in meinem Text bezeichnen? Queer?

Ich bin eine Frau. Eine Transfrau. Die gesamte Community nennst du am besten Queer Community – da fühlen sich alle angesprochen. Allerdings, das ist mir wichtig zu sagen: Wir sehen uns nicht als Sprachpolizei!

Wie ist dein Ausbildungs- und Berufsweg bisher verlaufen?

Nach Volks- und Hauptschule bin ich in die Handelsschule gegangen. In meiner Familie stand Bildung nicht im Mittelpunkt. Leider habe ich daher auch die Matura nicht gemacht, das wäre der Schlüssel für viele Dinge im Leben gewesen. Außerdem bin ich in meiner Pubertät mit der Identitätssuche bereits an meine persönlichen Grenzen gestoßen. Seit ich 6 Jahre alt war, wusste ich: So wie ich auf die Welt gekommen bin, so stimmt es für mich nicht.

„Hilfreich: Zugang zu Informationen”

Was hättest du in deiner Pubertät gebraucht?

Zugang zu Informationen. Im BRAVO (das größte und bekannteste Jugendmagazin im dt. Raum, Anm. d. Red.) wurde selten eine Frage zu diesem Thema behandelt. Aber selbst über diese seltene Frage war ich erleichtert, denn sie bedeutete: Es gibt noch andere, denen es so geht wie mir!

Gab es jemanden, der dich in dieser Zeit unterstützt hat?

Ja, meine damalige Freundin. Ich habe mich offen mit ihr ausgetauscht und das hat mich sehr gestärkt. Die Umstände zu dieser Zeit waren nicht so einfach. Es gab zum Beispiel das deutsche Travestieduo Mary & Gordy – die Leute haben über sie gelacht. Für mich waren das keine Vorbilder, denn ich wollte mich ja nicht lächerlich machen.

Wo hat es dich nach der Schule hingezogen?

Ich arbeitete zuerst bei einer Behörde und war dann beim Bundesheer. Nachdem ich in einem Reisebüro als Buchhalter gearbeitet habe, bin ich ein Jahr durch ganz Amerika gereist. Das war ein bisschen wie Davonlaufen.

Wieder zurück, habe ich beim Salzburger Fenster im Anzeigenverkauf begonnen und bin dann nach Wien gewechselt. Ich war bei der Gründung des „Standard“ im Verlagsmarketing dabei. Mein Chef war toll, er investierte viel in Bildung. Ich durfte diverse Zusatzausbildungen und Workshops besuchen, das hat mich in meiner persönlichen Entwicklung sehr weitergebracht. Der Liebe wegen bin ich wieder in den Raum Salzburg zurück.

„Lass dich auf deinem weiteren Weg beraten”

Hast du aufgrund deiner Identität in deinem Berufsleben einmal auf etwas verzichtet?

Nein, denn meine Identität war in meiner beruflichen Entwicklung und auch in meinem privaten Umfeld, also nach außen, nie Thema. Ich habe beschlossen, dass ich die klassische männliche Rolle erfüllen möchte, ich wollte Ehemann und ein guter Vater sein. Ich habe mich selbstständig gemacht und war lange Zeit in der Werbebranche tätig.

Der Bruch mit dem bisherigen Leben kam erst, als ich ungefähr 50 Jahre alt war. Ich konnte so nicht mehr weitermachen. Ich begann eine Therapie, um zu schauen, wohin die Reise geht – das wusste ich zu diesem Zeitpunkt selbst noch nicht. Mir war zuvor noch wichtig, dass mein Sohn Matura machen konnte – ohne Gerede, dass sein Vater „eine Tunte“ ist.

Eine fachliche Begleitung halte ich für notwendig, um Klarheit über den weiteren Weg zu erlangen. Schlussendlich ging die Beziehung leider auseinander. Auch dabei haben wir uns begleiten lassen.

Zitat Conny Felice

Welche Erfahrungen hast du in deinem Berufsleben ab diesem Wendepunkt gemacht?

Mir war bewusst, dass Transfrauen vielfach aus dem Arbeitsleben rausgeworfen werden. Ihre Existenzgrundlage ist dann einfach weg. Ich war zwar selbstständig, aber gerade in der Werbebranche hätte ich Verständnis gehabt, wenn meine Kund:innen gesagt hätten: Nein, so können wir dich nicht herzeigen. Das ist schlecht für unser Image.

Aber da hatte ich Glück. Ich kam zu einem Termin mit einem meiner besten Kunden, erstmals als Conny. Und er hat großartig reagiert und wollte weiter mit mir zusammenarbeiten.

Mein Status war noch männlich, wenn auch in Frauenkleidung, innerlich war ich deswegen immer noch zerrissen. Vor ca. fünf Jahren habe ich eine Ausbildung zur systemischen Coachin und eine Ausbildung zur systemischen Mediatorin abgeschlossen. Danach habe ich für Konfliktarbeit in den Wiener Gemeindebauten bei einer Tochterfirma von Wiener Wohnen als angestellte Mediatorin begonnen. Der Bewerbungsweg war schwierig, aber es hat geklappt.

„Vertrauen: Wichtig in der Zusammenarbeit”

Hier möchte ich gleich einhaken. Was empfiehlst du: Bei der Bewerbung dem potenziellen Arbeitgeber gegenüber generell offen sein oder eher zurückhaltend?

Rechtlich ist man nicht verpflichtet, etwas über die eigene Geschlechtsidentität oder sexuelle Orientierung zu sagen. Das geht den Arbeitgeber nichts an. Aber ich empfehle trotzdem, mit offenen Karten zu spielen. Wenn ich schon zu Beginn offen bin, dann weiß der Arbeitgeber auch, was auf ihn zukommt. Nur so kann eine vertrauensvolle Zusammenarbeit langfristig gelingen.

Mittlerweile habe ich die Transition zur Frau durchgemacht. Dabei habe ich unterschiedlichste Erfahrungen im Gesundheitswesen gemacht, einige waren definitiv traumatisierend. Damit es andere Trans*Menschen auf ihrem Weg leichter haben, habe ich mich bei der HOSI beworben. Meine Sinnfrage, wozu ich das alles durchmachen musste, ist für mich geklärt: Damit ich betroffenen Menschen und deren Angehörigen helfen kann. Ich bin eine, die selbst diesen Weg gegangen ist!

Wie hast du die Entwicklung des Themas Geschlechtsidentität in Österreich erlebt?

Ein Meilenstein in der Wahrnehmung war der Auftritt von Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest 2014. Es ist ein neues Bild entstanden und auch ein neues Verständnis für „Anders-Sein“. Seither hat die Queer Community viel erreicht.

Unser Zugang in der HOSI ist heute: Was können wir als Community dazu beitragen, dass es Salzburg und allen Menschen, die hier leben gut geht? Wir wollen auf Augenhöhe kommunizieren und gemeinsam zum Ziel kommen!

Vielen Dank fürs Teilen deiner Erfahrungen!

Conny Felice vor der HOSI in Salzburg

Bayer

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HOSI Salzburg

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  • Therapie/Beratung für Betroffene:
    Wenn du Zweifel an deiner erlebten Geschlechtsidentität bzw. sexuellen Orientierung hast oder du nicht weißt, wie dein weiterer Lebensweg aussehen soll, ist eine Begleitung unbedingt zu empfehlen. Beratung und Informationen bekommst du in der HOSI.
  • Beratung vor einem Coming Out:
    Du erfährst, wie du am besten an die Sache rangehen kannst.
  • Gruppentreffen/Veranstaltungen:
    Die HOSI bietet einen geschützten Rahmen für unterschiedlichste Gruppentreffen und Veranstaltungen.
  • Beratung für Eltern:
    Wenn Kinder sich nicht ihrem biologischen Geschlecht zugehörig fühlen, sollten sich auch Eltern und Geschwister beraten lassen. Es besteht sonst die Gefahr, dass die Kinder vereinsamen und sie im schlechtesten Fall Lernschwierigkeiten, Depressionen, bis hin zu Suizidgedanken haben.
  • Bildungsarbeit:
    Die HOSI bietet Workshops zum Thema Vielfalt
    für Unternehmen und Schulen an.

Kontakt: HOSI Salzburg, Franz-Josef Str. 22, 5020 Salzburg. Tel: 0662 43 59 27; E-Mail: office@hosi.or.at ; www.hosi.or.at

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Dieser Text ist unter CC BY 4.0 International lizenziert.

von Daniela Bayer-Schrott
Daniela Bayer-Schrott

Über die Autorin

Daniela Bayer-Schrott

Redakteurin, PR-Fachfrau, freie Texterin. Mag Vielfalt, Lernen und lacht gerne. Setzt sich für eine offene und tolerante Gesellschaft ein. In ihrer Freizeit ist sie in Stadt und Land Salzburg unterwegs und liebt die bunte Mischung von Natur und Kultur.

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