Nachdem man einige Semester unter dem Schutzmantel des lässigen Studentenlebens verbracht hat, geht die Zeit der schönen Vorstellungen, wie auch der hochgesetzten Erwartungen dem Ende zu. Die kalte Realität beginnt unter den flauschigen Studiendaseinsmantel zu kriechen.
Great Expectations
An diesem Punkt angelangt, erscheint das Erstellen eines eindrucksvollen Lebenslaufs fast unmöglich. Es ist ja nicht so, als ob man in den vergangen Jahren nichts geleistet hat. Allerdings muss man sich eingestehen, dass statt Praktikumsbestätigungen wesentlich mehr unterhaltsame Partyfotos vorhanden sind. Es sind zwar sehr schöne Erinnerungen, jedoch helfen sie selten bei einer sich nahenden Existenzkrise, welche durch das unsanfte Auftreten der Realität außerhalb des geschützten Uni-Universums auf einen wartet.
Das Stichwort lautet Arbeitssuche. Unsere Wunschvorstellungen des ersten richtigen Jobs und die Realität gehen erfahrungsgemäß weit auseinander. Auch die Aussichten des künftigen Arbeitsalltags können so manchen die Laune gehörig verderben. Jeden Tag acht Stunden in einem Büro zu verbringen und mühsam die Wochen bis zum nächsten Urlaub zählen, diese Vorstellung wirkt nicht wie die erhoffte Belohnung nach den mehr oder minder strebsamen Jahren des Studierens. Warum sollte man da nicht die Möglichkeit ergreifen und ein neues, „eh viel besseres“ Studium beginnen anstatt sich vollends dem Erwachsenenleben mit all seinen Aufgaben und Pflichten zu beugen?
Selbst für überzeugte Optimist_innen wirkt das erschreckend und deprimierend.
Und weiter?
Auf ewig davonzurennen stellt keine langfristige Option dar und das ist auch gut so. Tatsache ist, dass unsere Generation vor die Qual der Wahl gestellt wird. Unsere individualistische Einstellung und unsere Selbstfindungstrips sind ein zweischneidiger Luxus. Wir können Privilegien genießen, welche Generationen vor uns nicht so einfach in die Hände gespielt wurden. Diese Chancenvielfalt ist wunderbar und erfordert einiges an Dankbarkeit.
Die andere Seite der Medaille ist jedoch, dass wir quasi in der Pflicht sind, uns selbst zu finden, unsere Möglichkeiten und Potentiale voll auszuschöpfen und das kann auch erschreckend sein. Doch diese Ansicht ist zu einseitig, gerade weil wir heutzutage so viele Möglichkeiten haben, uns als Mensch zu definieren und unseren Platz in der Gesellschaft zu finden, ist es auch in Ordnung zu scheitern und neu anzufangen.
Also warum sollte man sich nicht vollkommen blauäugig und optimistisch für seinen Traumjob bewerben? Wenn es das ist, was euch im Moment glücklich macht, dann springt rein ins kalte Wasser – wenn man schwimmt, wird’s bekanntlich wärmer! Die Angst vor der Zukunft wird uns vermutlich immer ein klein wenig zur Seite stehen, aber Angst führt dazu, dass wir die Art, wie wir handeln, ganz bewusst wählen. Sie hilft uns dabei, die wichtigen Momente im Leben voll und ganz auszukosten, sie als besondere Ereignisse in unserem Langzeitgedächtnis abzuspeichern.
Lasst uns also mal etwas optimistischer in die Zukunft blicken. Freuen wir uns auf die vielen interessanten, manchmal schrägen Geschichten, welche uns im Laufe unseres Lebens noch passieren werden. Hören wir auf, dem Ende eines schönen Lebensabschnittes nachzutrauern und feiern wir stattdessen den Beginn eines spannenden, nicht vorhersehbaren, neuen Abschnitts.
Bewerben wir uns blauäugig und hoffnungsfroh! Was haben wir schon zu verlieren?
Dieser Text ist unter CC BY 4.0 International lizenziert.
Autorin
Carmen Bayer
Carmen Bayer, Sprecherin der Salzburger Armutskonferenz, wundert sich oft über gesellschaftliche Entwicklungen und schreibt darüber. Nebenher studiert sie Politikwissenschaften und verbringt ihre freie Zeit bevorzugt mit Büchern, Musik und sehr gerne auch mit gutem Essen. Sprachlos ist sie eher selten.
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